von Reiner Wild/Sabine Drewes
Die Genossenschaft ist eine zeitlose Unternehmensform, deren Kern des Wirtschaftens in der Förderung der Mitglieder besteht. (Infos aus Lang/Weidmüller- Genossenschaftsgesetz) Daher unterscheidet sich die Genossenschaft deutlich von anderen Kapitalgesellschaften, wo Kapitalgebende und Kunden auseinanderfallen. Bei der Genossenschaft hingegen besteht grundsätzlich Personenidentität zwischen Kapitalgeber*in und Kund*in, weil das Ziel die Förderung der Mitglieder ist (Identitätsprinzip). Das erste Gesetz zum genossenschaftlichen Wirtschaften stammt in Deutschland bereits aus dem Jahr 1867.
Genossenschaftliches Arbeiten unterstellt, dass viele gleiche Interessen haben, und dass diese Ziele durch gemeinsames Bemühen leichter und effizienter zu erreichen ist (Synergieeffekt).
Genossenschaftliches Arbeiten findet unter den Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung statt. Selbsthilfe bedeutet dabei den freiwilligen Zusammenschluss der Mitglieder, die die erforderlichen finanziellen Mittel selbst aufbringen und die Bereitschaft haben, füreinander einzustehen. Dazu gehört die Selbstverwaltung der Mitglieder, die mindestens über die Generalversammlung (GV) gelebt wird. Das Stimmrecht richtet sich dort nicht nach der Höhe der Kapitalbeteiligung, sondern ist ein Persönlichkeitsrecht („One man/woman, one vote“). Aus der Selbstverwaltung erwächst wiederum die Selbstverantwortung, die sich in der Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen ausdrücken kann. Die Kapitalbeteiligung (Genossenschaftsbeitrag) dient der wirtschaftlichen Mitgliederförderung.
Die Genossenschaft handelt nach demokratischen Grundsätzen bei der Entscheidungsfindung. Es gibt eine Gewaltenteilung von Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung. Es besteht ein besonderes Treueverhältnis der Mitglieder zur Genossenschaft, den Mitgliedern wiederum kann nicht gekündigt werden, sie können nur unter besonderen Bedingungen ausgeschlossen werden.
Eine Genossenschaft ist rechtsfähig, wenn sie eingetragen ist („eG“). Eingetragen wird eine Genossenschaft in das Genossenschaftsregister beim zuständigen Gericht. Das Genossenschaftsregister ist eine besondere Form des Handelsregisters.
Genossenschaften sind ein wichtiger Teil unseres Wirtschaftens in vielen Bereichen:
Im Bankwesen mit deutschlandweit 18 Millionen Mitgliedern, in der Landwirtschaft als Waren- und Dienstleistungsgenossenschaft (Saatgut, Vieh, Agrartechnik, Milchverarbeitung, etc.) mit über 80.000 Beschäftigten. Im Handwerk und beim Handel bestanden Ende 2017 1.342 gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften, darunter auch sogenannte Zentral-Genossenschaften (EDEKA; REWE mit 133 Mrd. € Umsatz). Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es bereits 862 Genossenschaften mit 183.000 Mitgliedern (Stand 2017). Weitere Genossenschaften: Konsumgenossenschaften (Lebensmittel, z.B. coop) und Wohnungsgenossenschaften (1.850 mit 5,8 Mio. Wohnungen).
Die zukünftige Nahwärme West eG – Besonderheiten unserer Satzung
Die Nahwärmegenossenschaft im Quartier Eichkamp-Heerstraße hat bereits mehrere Anläufe genommen, es existierte auch schon einmal eine Satzung. Allerdings gab es damals weder ein belastbares Technikkonzept noch einen Geschäftsplan. Insofern ist der Anlauf zur Gründung der Nahwärme West eG der erste Versuch mit Aussicht auf Erfolg.
Die Nahwärmegruppe arbeitet seit Herbst 2022 an einer neuen Satzung für die Nahwärmegenossenschaft, die der aktuellen Situation entspricht. Parallel hat das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf (Umweltamt) das Ingenieurbüro DME Consult beauftragt, das Technikkonzept zu aktualisieren. Das Konzept muss so aufbereitet werden, dass damit ein Antrag für die neue Bundesförderung effiziente Wärmenetze gestellt werden kann. Das Wirtschaftsprüfungsbüro SKP aus Freiburg erstellt zeitgleich den Geschäftsplan. Alles zusammen soll die die Genossenschaftsgründung im Frühjahr bzw. Frühsommer 2023 münden.
Die Genossenschaftssatzung wird in mehreren Schritten erarbeitet. Viele Paragrafen sind durch das Genossenschaftsgesetz (GenG) vorgegeben. Hier stellen wir in groben Zügen einige Besonderheiten unseres Entwurfs vor, die nicht vom GenG vorgegeben sind und sich u.U. von vorigen Versionen der Satzungsentwürfe unterscheiden, die im Quartier schon mal existierten. Die Satzungselemente sind vorerst noch im Ideenstadium. Wir werden sie im Februar/März 2023 einer größeren Gruppe von Interessierten vorstellen und mit ihnen diskutieren, bevor die endgültige Satzung auf der Gründungsversammlung beschlossen wird.
Satzungselemente im Einzelnen:
- Der Gegenstand des Unternehmens umfasst neben einer weitgehend regenerative Wärmeversorgung auch Erzeugung und Vertrieb Energie in anderen Formen, Organisation und Beratung zu Maßnahmen energetischer Gebäudemodernisierung und die Erbringung und Beauftragung von Dienstleistungen in diesem Bereich.
- Um diese Leistungen in Anspruch nehmen zu können, muss man Mitglied sein (also z.B. keine Wärmelieferung für Nicht-Mitglieder).
- Mitglied kann werden, wer entweder die Voraussetzungen erfüllt, um die Leistungen in Anspruch zu nehmen (also z.B. im Quartier wohnt und Wärme beziehen kann), oder wessen Mitgliedschaft im Interesse der Genossenschaft liegt.
- Mit allen Mitgliedern, die die Einrichtungen der Genossenschaft in Anspruch nehmen können, wird ein Wärmeliefervertrag abgeschlossen.
- Der Vorstand kann hauptamtlich, nebenamtlich oder ehrenamtlich tätig sein. Er besteht aus drei Personen, wobei mindestens eine eine Frau sein muss.
- Der Aufsichtsrat (AR) besteht aus fünf Personen. Zwei davon müssen Frauen sein. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf soll einen Sitz im AR bekommen.
- Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat werden von der Generalversammlung mit einfacher Mehrheit gewählt. Das unterscheidet sich von vielen anderen Genossenschaften, bei denen nur der Aufsichtsrat von der Generalversammlung gewählt wird und dieser dann den Vorstand ernennt.
- Der Aufsichtsrat kann aus der Mitgliedschaft Ausschüsse bestimmen. Die Ausschüsse beraten den Aufsichtsrat. Jeder Ausschuss muss mindestens drei Mitglieder haben.
- Die Zahl der investierenden Mitglieder, also solcher, die die Leistungen der Genossenschaft zunächst nicht in Anspruch nehmen (können), darf höchstens 10 % betragen.
Weitere Elemente der Satzung werden noch erarbeitet. Mit dem vollständigen Satzungsentwurf ist Ende Februar 2023 zu rechnen.