Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um das Projekt zu unterstützen.“, sagte Kirstin Bauch, Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf (GRÜNE), auf dem „Aktionstag Nahwärme“ am 8. Mai im Haus Eichkamp. Sie verwies auf den notwendigen Klimaschutz, aber auch auf einen schnellen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Der russische Angriff auf die Ukraine fordere eine entschlossene Abkehr vom russischen Erdgas. Für all diese Aspekte sei die geplante genossenschaftliche Nahwärme die Lösung: „Mehr Komplexitätsreduktion geht nicht.“ Sie bedankte sich für das kontinuierliche Engagement des Siedlervereins Eichkamp und meinte, das Bezirksamt solle diese einmalige Gelegenheit des Nahwärmeanschlusses nutzen.
Die geplante Bürgerenergiegenossenschaft braucht das Bezirksamt als Partner zu dieser in Berlin einmaligen Public-Public-Partnership. Wenn die Schulen im Eichkamp – die Reinfelder Schule, die Ernst-Adolf-Eschke-Schule und die Helen-Keller-Schule – ihren vollständigen Wärmebedarf bei der Genossenschaft einkaufen würden, wäre der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft bei 100 Wärmekunden im Quartier in jedem Fall wirtschaftlich (Wir berichteten).
Die Kommune muss Vorbild sein!
Jürgen Weber, ehemaliger Bürgermeister des Fleckens Steyerberg in Niedersachsen, unterstützte die Argumentation seiner (fast) Amtskollegin. „Es kommt auf Klimaschutz an – man muss auf zukünftige Generationen Rücksicht nehmen“, sagte CDU-Mitglied Weber. Jürgen Weber war acht Jahre lang Bürgermeister im Flecken Steyerberg, einer niedersächsischen Gemeinde mit 5.000 Einwohner*innen. In dieser Zeit hat er sehr viele erfolgreiche Klimaschutzprojekte auf den Weg gebracht – vom „Klimazaun“ über E-Ladesäulen, Windkraftausbau und zuletzt den größten Fernwärmenetz im ländlichen Raum in Deutschland. Das Netz erstreckt sich über 29 Kilometer und wird über 400 Anschlussnehmer*innen haben. Die Fernwärmeversorgung wird von der Bürgerenergie Steyerberg Fernwärme eG (BestF) betrieben, deren ehrenamtlicher Vorstand Weber ist. Die Fernwärme ist in Steyerberg preislich attraktiv, da die Genossenschaft zu einem geringen Preis Abwärme des nahegelegenen Chemiebetriebes OxxyNova kaufen kann. Trotzdem bleibt für die Genossenschaft immer noch ein finanzielles Risiko, da der ausgedehnte Netzbetrieb kostenintensiv ist und die Wärmekunden nicht so nah beieinander liegen wie im Eichkamp. Bisher wurden drei Bauabschnitte mit ca. 240 Wärmekunden realisiert.
In Steyerberg ist das Interesse an der Fernwärme explodiert – während es zu Beginn schwierig war, die erforderlichen 320 Wärmekunden zu bekommen, stehen nun 700 Interessenten auf der Liste. Sie können nicht alle bedient werden, da der Förderantrag nur für 320 Anschlüsse gestellt und später auf 460 erhöht wurde.
Weber hatte einige Tipps für die Nahwärme West eG i.Gr., unter anderem: „Nicht an den Unwilligen aufreiben!“ In Steyerberg hätten sie sich auf diejenigen als Mitstreiter konzentriert, die die Fernwärme wollten. Inzwischen seien auch einige „Nörgler“ zu Wärmekunden geworden.
Die Kommune hat in den Augen von Weber eine klare Vorbildfunktion: Die Gemeinde wollte von Anfang an ihre Liegenschaften an die Fernwärme anschließen, es gab auch keinen anderen Anbieter von klimaneutraler Wärme. „Sonst entsteht ja der Eindruck, dass die Politik von uns etwas verlangt, was sie selbst nicht machen will.“ Die Gemeinde profitiert auch von den zusammen mit den Wärmerohren verlegten Glasfaserkabeln.
Die ca. 30 Besucher*innen des Aktionstages informierten sich an Infoständen über finanzielle und technische Aspekte der zukünftigen Genossenschaft.